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Der Freier

09.09.2016

12.10.20

Corona, Arbeitslosigkeit, Staatsfinanzierung

Kurzer Überblick über den Stand der staatlichen Notmaßnahmen

Die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Normalität, ungeachtet der seit 1929 größten Wirtschaftskrise, lässt sich die deutsche Regierung einiges kosten. Nach derzeitigen Hochrechnungen macht das Corona-Hilfspaket nicht weniger als 34 % des Vorjahres-Bruttoinlandsprodukts aus; mit anderen Worten: ein Drittel der Unternehmen, aber auch ein Drittel der Lohnabhängigen, werden vollständig vom Staat finanziert.

Trotz aller Kraftanstrengung ließ sich allerdings nicht verhindern, dass die deutsche Wirtschaft um 10 % schrumpfte. Gleiches gilt auch für die Alimentierung der Lohnabhängigen, die der Staat gezwungenermaßen auf sich nimmt. Im August 2020 bezogen 4,5 Millionen Kurzarbeitergeld (rund 10 % der 44 Millionen Beschäftigten), was zwar ein Rückgang gegenüber dem Höchststand vom Mai (7,2 Mio. Kurzarbeiter) ist, aber noch immer deutlich mehr als zum Höhepunkt der letzten Krise 2009, wo die Kurzarbeiterzahl nie über 1,1 Millionen kletterte. Ungeachtet dieser staatlichen Notmaßnahmen stieg die Zahl der Arbeitslosen gegenüber September 2019 um 600.000, die Zahl der Unterbeschäftigten um knapp 500.000. Alle großen deutschen Konzerne haben für die kommenden Monate große Entlassungen angekündigt; mit einer schnellen Erholung rechnet in den Konzernetagen niemand.

Einer Fortsetzung dieser Finanzierung von Wirtschaft und Lohnabhängigen aus der Staatskasse sind enge Grenzen gesetzt. 2019 betrugen die Sozialausgaben bereits 25 % des Bruttoinlandsprodukts, die Staatsquote insgesamt lag bei 45 %. Die aktuellen Corona-Hilfsmaßnahmen mussten durch ein eine Neuverschuldung von 220 Mrd. Euro finanziert werden, deren Zinsen mittelfristig durch Steuern bezahlt werden müssen, die wiederum auf die Profitabilität des deutschen Kapitals drücken. Die Sozial- und Gesundheitssysteme operieren andererseits am unteren Limit; ohne Gefährdung des sozialen Zusammenhalts ist eine Senkung von Hartz IV, Renten und Gesundheitskosten kaum noch möglich. Die Zeit, die die deutsche Regierung sich mit dem Corona-Hilfspaket gekauft hat, läuft in Kürze ab.

Hinter der gegenwärtigen Krise steckt natürlich nicht das Virus, genausowenig wie hinter der von 2009 die Finanzspekulation, hinter der von 1973 der Ölpreis, oder hinter der von 1929 die Börsenspekulation steckte. Verwechselt werden Auslöser und Ursache. Die Krisen der kapitalistischen Gesellschaft sind allesamt Überproduktionskrisen, in denen die kapitalistische Mehrwertproduktion keinen Absatz für ihr gewachsenes Mehrprodukt mehr findet. Stagnation, Arbeitslosigkeit, bei gleichzeitigem Brachliegen von Kapital – Maschinen verrosten, Ackerböden werden nicht bebaut, Fabriken verfallen – sind die Zeichen der Überproduktion. Während alle Welt vom Virus redet, auf Impfstoffe hofft und über Maskenregeln diskutiert, kündigt sich ein Zusammenbruch der kapitalistischen Normalität an, gegenüber dem das Tragen von Masken eine Lappalie ist. Heute wäre ein Land wie Deutschland wahrscheinlich in der Lage, ganz Europa mit Konsumgütern zu versorgen; was auf der Tagesordnung steht, wäre die Aufhebung der wirtschaftlichen Konkurrenz und die gemeinsame Arbeit der Menschheit zu ihrer Selbstversorgung. Die Krise, die Überflüssigkeit von Kapital und Arbeit, zeigt, dass die Zeit dafür reif ist.

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