Nachrichten und Kritik
24.05.20
Zum Strafprozess auf Rhodos
Das Plädoyer einer Staatsanwältin in einem Mord- und Vergewaltigungsprozess ist gewöhnlich kein Thema für politische Analysen, oder zumindest sollte es in einer idealen Welt kein solches sein. Gewalt gegen Frauen ist leider auch im 21. Jahrhundert tägliche Realität. Umso schlimmer ist sie, wenn sie von der Politik nicht nur geduldet, sondern auch noch verteidigt wird. Der Femizid an der jungen, damals einundzwanzigjährigen Studentin Eleni Topaloudi ist ein trauriges Beispiel dafür, was Justiz, Medien und Politik in einem solchen Fall unterlassen sollten. Im Text wird der Leser so gut wie es möglich ist, in das Klima der Berichterstattung in Griechenland versetzt. Zwei Täter des Verbrechens wurden zu jeweils lebenslänglicher Haft plus 15 Jahre Zuchthaus verurteilt.
Im konkreten Fall geht es um die Vergewaltigung und Ermordung der Studentin Eleni Topaloudi auf der Insel Rhodos. Die damals Einundzwanzigjährige wurde in der Nacht vom 27. auf den 28. November 2018 brutal vergewaltigt. Die Täter warfen ihr schwer misshandeltes Opfer, offenbar gemäß der Untersuchung durch den Gerichtsmediziner noch lebendig, anschließend gefesselt über Klippen ins Meer, wo sie ertrank. Die junge Frau wurde vor ihrem Tod grausam gefoltert.
Die beiden nun verurteilten Täter wurden schnell gefasst. Es waren „ein Einundzwanzigjähriger aus Rhodos (Rhodier) und ein neunzehnjähriger Albaner“, berichteten die griechischen Medien.
Einspruch, möchte man schreien, denn der „Albaner“ hat einen griechischen Ausweis und stammt aus der griechischen Bevölkerungsminderheit in Albanien. Sporadisch wird er daher in einigen Medien als „albanischer Herkunft“ charakterisiert. Personen mit dieser Herkunft werden von den gleichen Medien gern als Patrioten und wahre Griechen bezeichnet, wenn sie sich in Albanien für die Belange der Griechen einsetzen.
Die offensichtliche Diskriminierung hat einen guten Grund, besser gesagt ein Motiv. Von Anfang an war die Verteidigungsstrategie des „Einundzwanzigjährigen aus Rhodos“ darauf angelegt, ihn, der ein Sohn eines einflussreichen Lokalpolitikers war, als weiteres Opfer des „Albaners“ darzustellen. Dieser, so wurde auch von den griechischen Medien aufgegriffen und zum großen Teil kommentarlos weiterverbreitet, habe den „Rhodier“ zum Verbrechen verführt und die Tötung eigenhändig ausgeführt. Zeitgleich mit diesen zur Verteidigung des „Rhodier“ gestreuten Geschichten wurde das Opfer verunglimpft. So bezeichnete eine Person aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis des „Rhodiers“ das Opfer in sozialen Netzwerken als „Ausländergeile Schlampe“ (sic), und behauptete, dass das Opfer ihr Schicksal verdient hätte. Die entsprechenden Veröffentlichungen wurden kurze Zeit später gelöscht, hatten aber ihr Publikum erreicht. Die Person, welche die wüste Verunglimpfung des Opfers tätigte, ist ein der Regierungspartei Nea Dimokratia nahe stehender Lokalpolitiker, der offenbar mit der Familie des „Rhodiers“ verbunden ist.
Nach der Verhaftung gelangten Berichte über den „Rhodier“ in viele Medien. Er habe sich in der Haft zum guten Christen geläutert, hieß es. Er leide unter der vom „Albaner“ initiierten Tat und habe sich von diesem distanziert. In Hauptnachrichtensendungen im Fernsehen verkündete der Pflichtverteidiger des „Griechen“, sein Mandant habe „so wie ich den Sachverhalt sehe, eine geringere Tatbeteiligung“. Unter dem Einfluss des Anwalts habe sich der „Grieche“ geläutert, verkündete er, bevor er später sein Mandat niederlegte.
Die Tat selbst fand in einer Ferienwohnung der Familie des „Einundzwanzigjährigen aus Rhodos“ statt. Das für die Tat benutzte Fahrzeug gehört ebenfalls der Familie. Über den Tatablauf ist bekannt, dass der jüngere und ärmere der beiden Täter mit dem Opfer Bekanntschaft geschlossen hatte. Für den Abend der Tat gab es eine Verabredung zum gemeinsamen Ausgehen der beiden.
Dieser Umstand, die Verabredung, wurde von Unterstützern der Täter auch als Beleg benutzt, dass das Opfer damit seine Bereitschaft zum Sex signalisiert habe. Die Eltern des Opfers widersprachen, ebenso wie deren Freunde.
Allein die Tatsache, dass Diskussionen über die Verabredung Eingang in die Berichterstattung fanden, zeigt, wie sehr die Gesellschaft noch davon entfernt ist zu erfassen, dass ein „Nein“ in Bezug zum Sex mit einer anderen Person zu jedem Zeitpunkt akzeptiert werden muss.
Im vorliegenden Fall kam erschwerend hinzu, dass das Opfer von der Existenz der dritten Person, des „Rhodiers“ erst im letzten Moment erfuhr. Die Präsenz der dritten Person wurde von den Tätern damit erklärt, dass sie in eine bessere Gaststätte fahren wollten, und dafür ein Auto bräuchten. Statt zur Gaststätte fuhren die Täter dann mit ihrem Opfer zum Ferienhaus.
Die Eltern, Verwandte und Freunde des Opfers bekamen in den Medien zwar ein Podium, wurden aber wie Trophäen von einer Talksendung zu nächsten gereicht – denn das garantierte Einschaltquoten. Dem aufmerksamen Leser mag nicht entgehen, dass bisher bis auf den Namen des Opfers keine weiteren Namen genannt wurden.
Das genau geschah in Griechenland über achtzehn Monate. So nahm die griechische Öffentlichkeit die Berichterstattung über den Fall wahr. Beide Täter, „der Einundzwanzigjährige aus Rhodos“ und der „Albaner“ blieben anonym. Falls es Berichte über Verunglimpfungen des Opfers in sozialen Netzwerken gab, wurden diese unter Unkenntlichmachung der Namen der Schreiberinnen und Schreiber als Screenshot gezeigt.
Im Vergleich dazu werden die Namen von bei Demonstrationen festgenommenen Demonstranten aus dem linken und autonomen Lager von der griechischen Presse schnell verbreitet. Rein rechtlich ist die Nennung der Namen in Griechenland zulässig, wenn dadurch weitere potentielle Verbrechen von Verdächtigen aufgeklärt werden können. Nach einer Verurteilung steht einer Namensnennung nichts im Weg.
Der Vater des „Rhodiers“ ist einflussreicher, politisch gut vernetzter Tourismusunternehmer auf der Insel. Die Staatsanwältin des Verfahrens hat gegen den Vater und die Großmutter des Rhodiers, sowie die Schwester des zweiten Täters ein weiteres Strafverfahren eingeleitet. Es geht um den Vorwurf, dass die Angehörigen die Täter auch bei früheren Übergriffen deckten. Zudem wird gegen einen Psychiater ermittelt, dem eidliche Falschaussage, sowie die nachträgliche Fälschung eines Rezepts sowie einer Diagnose vorgeworfen wird.
Der Prozess wurde trotz der „Maßnahmen zur Begrenzung der Ausbreitung der Pandemie des neuen Corona-Virus“ und der damit verbundenen Schließung der Gerichte durchgeführt. Denn, wenn es bis Anfang Juni kein Urteil gegeben hätte, wären die nun verurteilten Mörder wegen Überschreitung der Höchstdauer von achtzehn Monaten Untersuchungshaft auf freien Fuß gekommen.
Ein zweiter für die Urteile wichtiger Faktor ist der Strafrechtskodex. Dieser wurde von der damaligen SYRIZA-Regierung buchstäblich im letzten Moment vor den Wahlen im Juli 2019 novelliert. Im letzten Moment wurde dabei eine höchst umstrittene Änderung des Vergewaltigungsparagraphen durch die linke Regierung verhindert, die eine Verurteilung von Vergewaltigung deutlich erschwert hätte. Nach dem Urteil gab es deswegen zwischen SYRIZA und der Nea Dimokratia Streit darüber, wer für das von der Öffentlichkeit als „mild“ aufgefasste Urteil verantwortlich sei. Die Strafgesetzgebung wurde nach dem Wahlsieg von der Nea Dimokratia erneut geändert. Tatsächlich sind in Punkto der meist gegen Frauen gerichteten Gewalt beide Parteien nicht sehr streng. In der zweiten Maiwoche wurde im Parlament eine Amnestie für Täter häuslicher Gewalt erlassen.
Dahinter steckt auch die Diskussion darüber, was „lebenslänglich plus 15 Jahre Zuchthaus“ schlussendlich bedeutet. Unter Umständen könnten die Verurteilten in acht Jahren den ersten Hafturlaub erhalten und in knapp 15 Jahren das Zuchthaus verlassen. Eine Sicherungsverwahrung wie in Deutschland kennt das griechische Strafrecht nicht. Es gibt zudem die Möglichkeit für Häftlinge, zum Beispiel in „landwirtschaftlichen Zuchthäusern“ mit Feldarbeit die Ableistung zusätzlicher, fiktiver Haftzeit zu verdienen.
Bei der mündlichen Urteilsbegründung und Strafzumessung betonte das Gericht die Tatsache, dass beiden Angeklagten mit den jeweils für sie günstigsten Strafrechtsparagraphen der Zeit vor und nach der Tat verurteilt wurden. So schreibt es die Verfahrensordnung vor. Mildernde Umstände wurden keinem der beiden Verurteilten zugerechnet. Ihr Antrag mit den leichteren Strafen des Jugendstrafrechts verurteilt zu werden, wurde ebenfalls abgelehnt. Beiden Angeklagten steht die Revisionsmöglichkeit zur Verfügung.
Im Revisionsverfahren versuchen Anwälte gewöhnlich mehrfache Strafen für dieselbe Tat nach verschiedenen Paragraphen in eine einzelne Strafe zusammenzufassen. Ziel ist es dann auch, die lebenslängliche Haft „zu brechen“ und eine zeitlich begrenzte Zuchthausstrafe zu erlangen, welche dann nach Verbüßung von zwei Fünfteln der nominellen Zeit zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Ungewöhnlich für griechische Gerichte aber durchaus im Rahmen der Verfahrensordnung waren sowohl die Emotionalität als auch der Inhalt des Plädoyers der Staatsanwältin, Aristotelia Dogka.
„Ich hatte nicht die Ehre, Eleni kennenzulernen, aber sie ist von nun an Teil meines Lebens. Denken Sie nicht daran, dass wir mit dem Ende des Verfahrens alles von uns abgleiten lassen können, wie diese beiden Typen hier“, begann sie und blickte intensiv auf die Angeklagten.
In ihrem Plädoyer beklagte sie, dass die Anklageschrift umfangreicher hätte sein müssen und auch andere Vergewaltigungen hätte beinhalten müssen. Damit prangerte sie die lange Untätigkeit der Strafverfolger auf Rhodos an, die offenbar bei mutmaßlichen früheren Taten der Verurteilten, wenn überhaupt, nur nachlässig ermittelt hatten und auch beim vorliegenden Verfahren nicht alles getan hatten, was sie hätten tun müssen. Es gab im Rahmen der Berichterstattung über den Fall auch Zeugenaussagen in den Medien über von der Polizei abgewiesene Frauen, die eine Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung melden wollten.
Hintergrund sind auch konkrete Berichte darüber, dass beide Täter bereits vor dem Mord mit der gleichen Masche junge Frauen in einen Hinterhalt lockten, aber nie deswegen verfolgt wurden. Die Masche der beiden war, dass der attraktivere, der „Albaner“, die Mädchen ansprach und sich verabredete. Danach führte er sie auch seinem Freund, der über finanzielle Mittel und den Zugang zur Ferienwohnung verfügte, zu. Die Staatsanwältin beschuldigte in diesem Zusammenhang die Großmutter und den Vater des „Rhodiers“, dass sie „ein Monster großgezogen“ hätten.
Sie möchte nicht glauben, dass die direkt unter der Ferienwohnung wohnende Großmutter von all dem Treiben nichts mitbekommen haben will. Die diesbezüglichen Feststellungen der Staatsanwältin lassen kaum Zweifel daran aufkommen. „Sie hatten auch mit anderen Frauen Verabredungen, die „nicht gelungen sind“, wie sie sagten. … Sie waren zu allem entschlossen, zumal sie das Gleiche bereits einem anderen Mädchen angetan haben“, erklärte die Staatsanwältin, „sie hatten einen festen Plan in ihrem Kopf, dass sie sie ins Ferienhaus bei Pevkous bringen würden. Sie wollten einen Porno einlegen und die jeweilige Frau vergewaltigen. Es gab keine Möglichkeit, für diese beiden Charaktere, mit ihrer toxischen Handlungsweise, dass sie Eleni, vor allem nach den Fiaskos mit den anderen Frauen entkommen lassen würden. Sie hätten sie auch tot noch vergewaltigt.“
Die Staatsanwältin legte dar, dass das Opfer im Glauben war, man würde zum Souvlaki-Essen fahren. Als Beleg führte sie an, dass Eleni Topaloudi als sie erste Zweifel an den Absichten der Täter bekam, eine SMS an eine Freundin schickte „ruf mich an. In einer Stunde“.
Die Täter hatten in ihrer Verteidigungstaktik versucht, das Opfer als zum Gruppensex entschlossen darzustellen. Sie argumentierten, dass das Opfer sie in der männlichen Ehre gekränkt, beleidigt und dadurch in Rage versetzt habe. Das lässt die Staatsanwältin nicht gelten. Sie verweist darauf, dass sich das Opfer mit aller Kraft gewehrt habe. Wenn, so die Staatsanwältin, das Opfer auch nur zum Teil bereit zum Gruppensex gewesen sei, dann hätte sie sich „verstellt und mitgespielt um ihr Leben zu retten“.
Die Art und Weise, wie sich die Angeklagten in ihren Aussagen gegenseitig beschuldigten und wie sie Medien gegenüber angaben, untereinander zerstritten zu sein, steht für die Staatsanwältin in diametralem Gegensatz zu den zwei miteinander scherzenden Angeklagten, die sie im Verhandlungssaal und in den Sitzungspausen sah. Sie vermutet „das ist keine natürliche Reaktion. Zwei Menschen mit einem solchen Verbrechen gehen, wenn sie nicht weiterhin gemeinsam handeln, aufeinander los. Es gibt eine gemeinsame Strategie. Eine Strategie die Verantwortung zu verschleiern. Dieses Spiel machen auch die Anwälte mit. .. Das zielt nicht nur auf die Richter, sondern auch auf die Geschworenen ab. „Sagt mal dies, dann das“, so wird am Ende immer ein Zweifel gestreut. Die, die bestraft werden müssen, werden bestraft werden – und es sind nicht nur die Angeklagten“.
Die Anklägerin ließ keinen Zweifel daran, dass sie sich nicht nur als Verfechterin der Anklage, sondern auch als Anwältin des Opfers sah. Anfänglich fiel der Fall, weil das Opfer im Meer gefunden wurde in den Zuständigkeitsbereich der Wasserschutzpolizei, die eigentlich die Ermittlungen bis zum Ende hätten führen können. „Auf den Hafenpolizeileiter Thomas Zova wurde Druck ausgeübt. Es ging so weit, dass man ihm den Fall entzog und einem anderen gab. Ich möchte nicht unterstellen, dass das einflussreiche Mitglied der Gesellschaft von Rhodo, der Vater des ersten Angeklagten jeden nur möglichen Kontakt einsetzte, um sein Kind zu retten…“, referierte sie und sprach damit aus, was nicht nur auf Rhodos gemunkelt wird. „Herr Zovas wurde auch ein zweiter Fall entzogen, bei dem es um eine vorgeworfene Vergewaltigung einer behinderten Frau durch den zweiten Angeklagten geht. … Es ist ein Glücksfall, dass Zovas involviert war, denn ohne ihn hätten wir einen anderen Ausgang der Ermittlungen.“
Wieso sie das alles so gut einordnen konnte, erklärte sie in der Folge. „Ich stamme von der Insel Rhodos ab, ich weiß einiges. … Zum Glück gibt es einige wenige Menschen, die noch sagen „es soll Gerechtigkeit geschehen“ und damit das Land am Leben halten. Ich sehe Mängel im Ermittlungsverfahren. Es gab auch weitere Opfer. Wir hätten über all diese Fälle hier verhandeln können. Aber, hätte es keinen Südwind gegeben, der das Opfer anders als die Angeklagten planten in Richtung Ufer spülte, dann wäre es in der Tiefe verschwunden.“
Schließlich griff die Staatsanwältin auch die Schwester des besagten zweiten Angeklagten an. Die junge Frau arbeitet als Sonderschullehrerin und hatte unter Eid ausgesagt, ihr Bruder habe bereits vor der Tat eine vollendete sexuelle Beziehung mit dem Opfer gehabt. Eine Behauptung, die zweifelsfrei widerlegt werden konnte. Für Dogka wiegt dies umso schwerer, als dass die Schwester als Frau hätte wissen müssen, „dass auch in der Ehe oder einer Beziehung ein „Nein“ ein „Nein“ ist“.
Die Anklägerin begründete ihre Version über den Tatablauf, „genau auf die gleiche Weise haben beide Angeklagten es mit einem minderjährigen Mädchen versucht. Sie brachten sie ins Ferienhaus und zeigten ihr Pornofilme. Dieses Mädchen aber brach in Tränen aus und kam davon. Der zweite Angeklagte war der Köder. Er hat kein Geld. Reich ist der erste, der Rhodier. Der zweite ist schön und hat ein engelsgleiches Gesicht, der ideale Köder. Er streifte um Sonderschulen herum und suchte auch sonst verletzlich erscheinende Personen.“ Dass auch am Abend der Tat Pornofilme auf dem Smart TV in der Ferienwohnung liefen, stellten forensische Ermittler der Polizei zweifelsfrei fest.
Der emotionale Vortrag der Staatsanwältin fand in einem Gerichtssaal mit wegen der Pandemie eingeschränktem Publikum statt. Er wurde trotzdem schnell landesweit bekannt und schlug Wellen. Das was in den meisten Medien unerwähnt blieb, war die Tatsache, dass die Staatsanwältin die Verteidigung der Täter scharf kritisierte, aber auch den zurückgetretenen ersten Pflichtverteidiger des „Rhodiers“ für dessen Haltung lobte.
„Wenn die Untat kommt, wie der Regen fällt, dann ruft niemand mehr Halt“, mit diesem Zitat von Berthold Brecht reagierte die Staatsanwältin über soziale Medien auf das geteilte Echo, welches ihr Plädoyer hervorrief. Die Teilung der gesellschaftlichen und politischen Reaktionen entspricht ziemlich exakt den Gruppen der Befürwortern und Gegnern der Regierungspartei Nea Dimokratia.
Der ministerielle Staatsminister im Amt des Premierministers, Akis Skertsos, war sich nicht zu schade in einer Stellungnahme der Staatsanwältin Populismus vorzuwerfen. Er beschuldigte sie zudem, dass sie sich zu sehr mit dem Opfer der Tat identifiziert habe. Sie habe vielmehr die Pflicht, den Prozess neutral zu verfolgen und ohne jegliche Emotionen ihre Stellungnahmen abzugeben.
Hätte ein Politiker einer anderen Partei, oder ein gegenüber der Nea Dimokratia kritisch eingestellter Journalist so eine Kritik geäußert, dann hätte die Nea Dimokratia darauf mit Rücktrittsforderungen wegen „unerlaubter Einflussnahme auf die Unabhängigkeit der Justiz“ reagiert. Zahlreiche Beispiele, auch aus der jüngsten Vergangenheit, belegen dies. Die Regierung reagierte auf Rücktrittsforderungen an Skertsos von Seiten der Opposition mit dem Hinweis, dass dieser nicht als Politiker, sondern als Privatperson, seine Meinung geäußert habe.
Noch schärfer als Skertsos reagierte der Vorsitzende der Anwaltskammer Athens, Dimitris Vervesos. Er verfasste eine schriftliche Stellungnahme, in welcher er die Staatsanwältin verurteilte und ihr Missachtung der Rechte der Verteidiger vorwarf. Vervesos, der der Nea Dimokratia angehört, stürmte am Tag nach dem Plädoyer und vor den Plädoyers der Verteidiger in den Gerichtssaal. Er forderte mit einer offiziellen, schriftlich eingereichten Stellungnahme in seiner Funktion als Vorsitzender der Anwaltskammer den Kopf der Staatsanwältin und ein Disziplinarverfahren gegen sie. Die Forderung bezog sich auf die Vorwürfe der Staatsanwältin gegen die Verteidiger. Diese bot dem Gericht ihren Rücktritt an, der jedoch nicht angenommen wurde.
In der Folge wurde deutlich, dass Vervesos Aktion nicht einmal vom Vizevorsitzenden der Anwaltskammer, Themis Sofos unterstützt wurde. Auch weitere Mitglieder des Vorstands distanzierten sich von Vervesos.
Medien, die in den vergangenen Monaten Beiträge über die angebliche Läuterung des „Rhodiers“ veröffentlicht hatten, stimmten nun der Kritik an der Staatsanwältin bei. Sie beschrieben das Plädoyer als „für fünf Minuten Ruhm“ und „theatralisch“. Drogka reagierte darauf mit Abmahnungen.