Nachrichten und Kritik
15.06.18
Die milde Strafe, die der kalifornische Richter Aaron Persky im Fall des Vergewaltigers Brock Turner aussprach, löste eine Welle der Empörung aus - nun ist er der erste durch Wahlen abgesetzte Richter seit 1932.
Von Sonia Giovanotti.
„Schützt Überlebende statt Vergewaltiger“, so lautete der Slogan der offiziellen Kampagne zur Amtsenthebung Perskys. Der an den Top-Universitäten Berkeley und Stanford ausgebildete Jurist führte den Vorsitz über die Verhandlung gegen Brock Turner, einem Studenten der Eliteuni Stanford, der in 2015 eine junge Frau auf dem Universitätscampus vergewaltigte und hinter Mülltonnen zurückließ.
Das Opfer schrieb einen bewegenden Brief an das Gericht und beschrieb die ihr zugefügten äußeren und inneren Wunden, sowie die akuten und langanhaltenden Konsequenzen der Gewalterfahrung. Doch die Befragung des Vergewaltigungsopfer vor Gericht war von Anfang an auf eine Verantwortungsverschiebung aus: Wie viel Alkohol hatte sie getrunken? Welche Kleidung trug sie? Hatte sie schon einmal Geschlechtsverkehr? Wie viele verschiedene Partner hatte sie gehabt?
In einem Statement von Turners Vater an Richter Persky wiederum beschreibt dieserTurner Senior den bemitleidenswerten Zustand der Karriere und des Wohlbefinden seines Sohnes aufgrund des bedauerlichen Vorfalls und klagt, dass diesem noch nichteinmal sein Lieblingsessen mehr schmecke. All das sei doch ein zu hoher Preis für lediglich “20 minutes of action”.
Trotz übereinstimmend belastender Aussagen – einschließlich der ausländischen Studierenden, die Turner in die Flucht schlugen und des behandelnden medizinischen Personals, das die junge Frau nach ihrer Vergewaltigung behandelte – war in Richter Perskys Augen klar, dass eine harte Verurteilung Turners auch keine Lösung für das Dilemma des Opfers sei. Diese paternalistische Einschätzung führte nicht nur dazu, dass der Vergewaltiger zur milden Strafe von 6 Monaten verurteilt wurde, sondern dass er nach lediglich 3 Monaten aus dem Gefängnis entlassen wurde.
Die gesellschaftliche Empörung war groß. Während Turners Briefkasten vor Hassbriefen überquellte, entwickelte sich ebenfalls eine Bewegung, deren Ziel die Amtsenhebung Perskys war. Von Protesten und Plakaten, bis hin zu organisierten Twitter-Kampagnen machten Kalifornische BürgerInnen ihren Unmut deutlich. Denn: The People vs. Turner ist nicht der einzige Fall, in dem Richter Perskys angeblich neutrales Urteil durch seine persönliche Note von Sexismus, Opfer-Beschuldigung und Beschönigung männlicher Gewalt stark tendenziös ausfiel. Dieses Muster lässt sich in verschiedenen anderen Fällen wiederfinden, z.B:
Das von Persky seit Jahren demonstrierte sexistische, patriarchale und verfahrensrechtlich schlicht unrechte Urteilsvermögen ist alles andere als neutral und kulminiert in Bezug auf den Vergewaltigungsfall durch Brock Turner in der richterlichen Begründung für die kurze Strafe: Laut Persky würden höhere Strafen doch gravierende Auswirkungen auf den jungen Mann mit der brillianten sportlichen Zukunft haben.
Der Fall Turner brachte nun Persky selbst zu Fall. Nicht durch den Justizapparat selbst oder staatliche Kontrollgremien, sondern durch die ungeheure Anstrengung einer Amtsenthebungskampagne, die u.a. als Bedingung hatte, dass ihre BefürworterInnen innerhalb von 160 Tagen 90.000 Unterschriften in Perskys Amtsbezirk sammelten. Eine 60 %ige Mehrheit – 105.000 WählerInnen in Perskys Amtsbezirk – stimmte dann am 5. Juni für Perskys vorzeitige Amtsenthebung. Die Stanford-Professorin und ausgesprochene Befürworterin der Bewegung Michele Dauber zeigte sich zufrieden: “Das ist wahrlich ein historischer Tag. Es ist ein historischer Tag für Frauen und alle Überlebenden von sexueller Gewalt.”