Nachrichten und Kritik
09.06.18
Zum diesjährigen Internationalen Hurentag gab es rote Regenschirme, Soli-Partys und wenig kritische Reflektion
Von Sonia Giovanotti.
Der Internationale Hurentag belegt im Jahreskalender den 2.Juni und beruft sich damit auf den 1975 stattgefundenen Protest von über hundert französischer Prostituierten, die ihrerzeit in Lyon demonstrierten, um auf ihre unwürdigen Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen.
Heute, 42 Jahre später, zentrieren und zelebrieren Veranstaltungen am Hurentag die Arbeitsbedingungen ebenjener Industrie, die ProstitutionsbefürworterInnen verbessern und AbolitionistInnen abschaffen wollen.
In den USA, wo seit einigen Jahren die Marsch-Kultur einen Aufschwung erfahren hat, organisierte die Lobby federführend in Nevada – der einzige Staat, in dem Bordelle gesetzlich erlaubt sind – den Hurenmarsch (https://iwd18.org). Unter dem Motto “March, Rally, Celebrate”, zeigt das Veranstaltungsposter eine Hand mit langen, spitzen, rot lackierten Nägeln, um das Handgelenk zwei rote Armbänder. Die Faust hält einen roten Regenschirm, hierüber in großen, kursiven und – wie könnte es anders sein – roten Buchstaben steht prominent “Whoredom”, das Hurentum, ein Neologismus der die Prostitution mit mächtigen und erstrebenswerten Formen von Institutionen verknüpft.
Dabei ist gerade Nevada mit seiner laissez-faire Haltung gegenüber Bordellbetreibern bekanntermaßen nicht gerade das Aushängeschild für einen positiven, selbstbestimmten und gewaltfreien Arbeitsalltag von Frauen, die zum großen Teil in den unwürdigsten Verhältnissen zum Sex mit Freiern gezwungen werden.
Die roten Regenschirme wurden auch in Deutschland als Symbol verwendet, wo der Welthurentag von den Lobby-Verbänden als Gelegenheit genutzt wurde, um zu sogenannten Soli-Partys aufzurufen, wo sich Prostituierte, Betreibende und natürlich auch Freier zum gemeinsamen Tanz einfinden sollten. Fast so, als könne man aus einem Tag, an dem es zumindest vorgeblich um die Selbstbestimmung von Frauen in einem potenziell hochgefährlichen Job mit größter Verletzbarkeit geht, die Geschäfte ankurbeln: die Party sorgt für Umsatz für Location und Catering und schafft zahlreiche Möglichkeiten für den Verkauf von Körpern.
Am Samstag selbst wurden Stimmen von abolitionistischen Vereinen nur vereinzelt laut. Die großen Frauenrechtsorganisationen schweigen. Nur das Netzwerk Ella hat den Tag genutzt um auf Facebook und Twitter Freierkommentare aus verschiedenen Foren öffentlich zu machen, die einen Einblick über die wahren Haltungen von Männern geben, die Frauen kaufen und zu Schnäppchenpreisen weibliche Entwürdigung und Erniedrigung erkaufen. Von Tipps und Hinweisen, welche Frau kaum die Sprache spricht, welcher man direkt in den Mund urinieren könne und bei welcher mehrere Fäuste in welche Körperöffnungen passen würden, ist für das steinerne Freierherz alles dabei. Deutschland ist auch – oder besonders – zum Welthurentag – ein Traum für Sadisten.