Nachrichten und Kritik
09.02.18 | Theorie
Ein Beitrag und Erfahrungsbericht von Susan
Von Susan.
Da in diesen Tagen eine Anhörung im Landtag zu Dresden bezüglich des neuen Gesetzes stattfindet, fühle ich mich bemüßigt, einmal etwas zu schreiben. Ich selbst arbeite in diversen Bundesländern, unter anderem gern und oft in Sachsen (Chemnitz, Plauen, Leipzig) und Nordrhein- Westfalen (Köln, Bonn). Mein aktueller Text bezieht sich auf das Land Sachsen.
Die pünktliche Umsetzung hat das Land längst verschlafen, ähnlich wie die Bundesländer Thüringen und Sachsen- Anhalt weiß man scheinbar nicht so recht, wohin mit diesem Thema und der Verantwortung.
Klar ist nur eines: die Anmeldegebühr für ihre eigene, größtenteils kritisch gesehene und unwillkommene Registrierung müssen die Prostituierten natürlich selbst tragen. Nicht genug, dass der Staat mit Steuern jeglicher couleur schon gut an uns verdient, nein, Prostituierte sollen für ihren eigenen Schutz auch zahlen. Ähnlich wie in einem Laufhaus, wenn der Freier dich würgt und du den Notknopf drückst, damit ein breitschultriger Security dich aus deiner lebensgefährlichen Lage befreit. Nicht, dass das umsonst wäre. Keineswegs. Für diese Lebensrettung sind Gebühren fällig.
Wie das alles funktionieren soll, wissen so genau weder die Bundesländer noch die Betreiber (einige Ausnahmen wie NRW und auch Bayern bestätigen hier die Regel).
Noch weniger selbst aber wissen es die prostituierten Frauen. Wo landen meine Daten? Was geschieht damit? Welche Auswirkungen hat das auf mein Leben? Derartige Fragen stelle ich mir ebenfalls, aber ich bekomme keine Antwort. Selbst die Frage, ob die Registrierung aus einem anderen Bundesland Gültigkeit im Land Sachsen hat, konnte nicht zufriedenstellenden beantwortet werden. In Nordrhein Westfalen ist man sehr gut mit der Umsetzung vorangekommen, doch jedes Bundesland möchte, wie in allen Belangen, gern sein eigenes Süppchen kochen und somit ist man auch in Sachsen nicht sicher, ob nicht doch ein landeseigener Ausweis vonnöten ist. Eingetragen werden müssen die Städte, in denen man arbeitet, ja eh. Aber ob da ein Ausweis aus einem anderen Land genügt, man weiß es nicht. Wie man sieht, Fragen über Fragen und keine Antwort: und das im Februar 2018, also ein halbes Jahr nach in Kraft treten des Gesetzes.
In Sachsen ist die Prostitution nur in wenigen Städten erlaubt. Dort ist man nicht sonderlich glücklich mit dem Gesetzesentwurf und verweist recht trotzig auf die Stadt Dresden, genauer gesagt ans dortige Sozialministerium. Dort empfiehlt man den arbeitenden Frauen, sich eine Bescheinigung ausstellen zu lassen, die belegt, dass man versucht hat sich anzumelden. Doch, nachgefragt auf den Ämtern der Stadt, ist man darüber gar nicht recht informiert oder hat einfach keine Lust die Information zu teilen. Man ist auch Monate nach In Kraft treten des Gesetzes nicht in der Lage, zu helfen oder adäquate Informationen bereitzustellen! Das gibt es wirklich selten und das zeigt wiedereinmal mehr als deutlich, welchen Stellenwert prostituierte Frauen in unserer Gesellschaft einnehmen: nämlich keinen. Höchstens, als mysteriöses Wesen und Vergewaltigungsableiterin für triebgesteuerte Männer. Andernfalls möchte man mit diesen Frauen nichts am Hut haben, alles soll bitte bleiben wie es ist.
Ein herzliches Willkommen an die Prostituierten, die sich nun endlich aus der Parallelwelt der Bordell- und Laufhausbetriebe ans Tageslicht wagen müssen, sieht freilich anders aus.
Ich bin der deutschen Sprache mächtig und es ist selbst für mich recht schwer zu verstehen, wie nun genau vorgegangen werden soll und muss. Wenn man Glück hat, hat man eine belesene Kollegin zur Seite, oder aber man trifft jemanden auf dem Amt, der einem hilft. Doch davon kann auch hier nicht die Rede sein. Sind denn die Stellen, die nötig sind, bereits besetzt? Welche Qualifikation haben diese Menschen, die demnächst Prostituierten gegenübersitzen? Und was macht sie menschlich aus?
Alles in allem ist das Gesetz wirklich nicht besonders gut gemacht und in Sachsen wirklich sträflich vernachlässigt worden. Nun hört man BordellbetreiberInnen und Dominas an, die sicherlich für Ihre Interessen kämpfen. Frauen, die arbeiten, Prostituierte, die kein Wort Deutsch sprechen, kommen natürlich wieder nicht zu Wort. Die anderen kobern mit dem Gesetzgeber wie mit einem Freier um die letzten verbleibenden Möglichkeiten, um das bestmöglichste für ihr Gewerbe rauszuholen.
Zurück bleiben tausende Frauen. Im Ungewissen, in einer rechtlichen Grauzone (ich erinnere, dass die Übergangsfrist zum 31.12.17 endete). Das hat den faden Beigeschmack, dass neben der Regulation des Gewerbes, welche ja im Gesetz an erster Stelle steht, der Schutz sich weiterhin auf bestehende Strukturen ausweitet und Betreiber weiterhin überleben können. Für die Frauen, die eigentlich Schutz bedürfen, wurde nichts getan. Keine Ausstiegsangebote, keine verstärkten Besuche von Sozialarbeitern in entsprechenden Etablissements, alles wieder Freizeitangelegenheit von Ehrenamtlichen. Doch eines ist sicher: verdienen wird das Land Sachsen sehr gut an den Frauen. Ein absoluter Hohn für jede, die täglich ihren Körper verkaufen muss, um dann wieder vollkommen ohne Schutz dazustehen. Wenn man eines sagen kann, dann, dass dieses Gesetz wirklich schlecht umgesetzt wurde. Wie die Endfassung aussehen mag ist derzeit noch offen. Fakt ist aber eines: es hat seinen eigentlichen Zweck maximal verfehlt.
***
Beitrag von Susan, 42. Die Autorin ist aktiv im Netzwerk Ella (https://netzwerk-ella.de).