Nachrichten und Kritik
04.11.16 | Theorie
„Wenn Computer schneller, besser und effektiver berechnen können, wann eine „Hellfire“-Rakete abgeschossen werden sollte, warum sollten wir sie es nicht machen lassen?“
Der Film „Do not resist“ von Craig Atkinson ist eine beeindruckende Dokumentation über den gegenwärtigen Stand der Militarisierung im fortgeschrittendsten der bürgerlichen Staaten, den USA. Ausgehend von den Ereignissen in Fergueson vom August 2014, bei denen der 18-jährige Afroamerikaner Michael Brown vom weißen Polizisten Darren Wilson erschossen wurde und die zum Teil gewaltsame Proteste der schwarzen Bevölkerung zur Folge hatten, zeichnet der Film ein erschreckendes Bild des amerikanischen Polizeistaates, der sich ganz offensichtlich mit den modernsten Waffensystemen auf einen Bürgerkrieg entlang rassistischer Grenzen vorbereitet und somit Vorbild steht für die gewaltsame Austragung verdrängter gesellschaftlicher Widersprüche, wie sie in Europa wahrscheinlich mit etwas Verzögerung ausgetragen werden.
Die Techniken zur Kontrolle und Überwachung der Bevölkerung dürften angesichts der bisher bekannten Möglichkeiten keine Überraschung mehr sein. Die öffentlichen Kameras, d.h. die an Gebäuden, Polizeifahrzeugen installierten Überwachungskameras und die an jedem Cop individuell befestigten Bodycams lassen in Verbindung mit der drohnengestützten Luftüberwachung jedes Individuum mittels Computer markieren und verfolgen, ohne dass noch einer der menschlichen Cops sich darum kümmern müsste. Die computergestützte Überwachungstechnologie kann in der Öffentlichkeit Gesichter und Nummernschilder erkennen und gesammelten Datensätzen zuordnen, die den Repressionsorganen Auskünft über die „Gefährlichkeit“ dieser Personen geben. Die Totalüberwachung der gesamten Gesellschaft ist bereits Realität. Wie aus dem obigen Zitat aus dem Dokumentarfilm hervorgeht, werden Computerprogramme eingesetzt, die mittels der Daten, die über eine Person verfügbar sind, eine Wahrscheinlichkeit ausspucken, mit der diese Person in Zukunft „leichte“, „mittlere“ und „schwere“ Straftaten begehen soll.
Die Polizei in den Vereinigten Staaten ist vom Militär nicht mehr zu unterscheiden. Seit 2001 stellt der amerikanische Bundesstaat den Kommunen ausgedientes Militärgerät für bis dato 34 Mrd. Dollar zur Verfügung. Das Vorgehen und die Ausrüstung der (meist weißen) Polizei bei der Kontrolle und Regulierung von (meist schwarzen) Einzelpersonen und Gruppen, die auch deshalb in Gewalt umschlagen, erinnern an militärische Operationen. Und auch die soziale Paranoia, die die Grundlage eines solchen Auftretens ist, gehört mittlerweile zum Ausbildungsprogramm der Polizeieinheiten. Stellvertretend hierfür präsentiert der Film Dave Grossman, einen der führenden Ausbilder von föderaler und Bundespolizei, sowie des US-Militärs. Die Art und Weise, wie dieser gesellschaftliche Durchschnittswahnsinnige in der Lage ist ein existenzialistisches Bild von Guten und Bösen, Schafen und Kriegern, Siegern und Opfern, Helden und Terroristen zu malen und die Begeisterung, mit der der amerikanische Durchschnitts-Möchtegern-Superman diese Botschaften aufsaugt und verinnerlicht, sprechen Bände über die instabile Massenpsychologie des „White Anglosaxon Protestant“. Gerade dieses schematische, die offenkundigsten Widersprüche verdrängende, projektive und zur gewaltsamen Ausmerzung der sich verschärfenden realen Widersprüche treibende Bewusstsein, das die Gedankengänge des weißen amerikanischen (vor allem männlichen) Mittelstandes ausmacht, gefangen in einer Rationalität von 0 und 1, die oder ich, bewaffnet bis an die Zähne, lässt einen den Gedanken nicht loswerden, dass in den USA sich alle (weißen Männer) einer Sache bewusst sind: Dass der Krieg von dem alle sprechen schon längst begonnen hat und es darum geht im „Land of the Free“ auf der Seite er Sieger/ Helden/ Krieger/ Supermans zu stehen. Das bis ans äußerste verhärtete verdinglichte Bewusstsein der US-amerikanischen Massengesellschaft, dass „Do not resist“ eindrucksvoll in Bilder zu bannen vermag, spricht am besten aus, der Lehrer und Erzieher in seiner praktischen Umsetzung:
„What do you fight violence with? Superior violence. Righteous violence. Violence is your tool … You are men and women of violence.“ (Dave Grossman)
Der Film läuft noch einmal am 06.11.2016 um 15:30 Uhr in den Passage Kinos in Leipzig.