Nachrichten und Kritik
28.11.15 | Theorie
Die schwedische Feministin und Marxistin Kajsa Ekis Ekman hat mit ihrem Buch „Being and being bought“ (Sein und gekauft werden) nicht nur eine in ihrer Materialfülle und Sprachgewalt einmalige Kritik der Sexindustrie und ihrer verlogenen linken Pro-„Sexarbeits“-Lobby geliefert. Sie hat auch das, was Prostitution tatsächlich ist und was dies für die Frauen darin heißt, auf den materialistischen Begriff gebracht.
Triggerwarnung: Es ist selten, dass wir soetwas schreiben, aber wir möchten an dieser Stelle doch darauf hinweisen, dass Menschen, die sexuelle Gewalt und Prostitution erlebt haben, u.U. durch diesen Text an vergangene Erfahrungen erinnert werden. Der Text enthält insbesondere eine Darstellung der psychischen Abwehrmechanismen, die von vielen Menschen in der Prostitution entwickelt werden, und mit denen sie sich selbst vor Gewalt- und Ohnmachtserfahrungen schützen. Die Analyse und Darstellung dieser Abwehrmechanismen kann zum Zusammenbruch dieser Schutzfunktion führen und Depressionen und Schlimmeres auslösen.
Wer an einer allgemeinen Darstellung und Kritik der Prostitution und der mit ihr einhergehenden „Sexarbeits“-Mythen interessiert ist, der/dem möchten wir die guten und scharfsinnigen Texte, die auf der Webseite des Sisters e.V. verlinkt sind, als Ergänzung oder ggf. als Alternative empfehlen.
Wenn man das Buch von Kajsa Ekis Ekman liest, bleibt man immer wieder sprachlos und benommen zurück. Die schiere Gewalt des von ihr angeführten empirischen Materials; ihr Nachweis, wie in der Realität der „Sexarbeit“ die „revolutionären“ Weltanschauungen der bürgerlichen, patriarchalen Aufklärung zur materiellen Wahrheit werden; schlussendlich die Sprachgewalt und Schärfe, mit der sie dem verklausulierten und unredlichen Geschwätz der „Sexarbeits“-ApologetInnen das Eingeständnis ihrer eigenen Lüge entlockt und mit deren eigenen Worten eine Kritik an ihnen entwickelt – es ist schwer, ein solches Buch zu besprechen und seinen kritischen Gehalt angemessen darzustellen, ohne einerseits zu stark auf das Buch selbst vorwegzugreifen, andererseits der Darstellung durch zu starke Zusammenfassung die Schärfe und Überzeugungskraft zu nehmen. Wir haben uns entschieden, die Autorin an zentralen Stellen stärker als sonst bei Buchbesprechungen üblich zu zitieren, weil wir es für notwendig halten, ihre Argumente und begriffliche Entwicklung in dieser Debatte aufzunehmen. Dies auch deshalb, weil bisher keine deutsche Übersetzung vorliegt und ihre Argumente, soweit wir das sehen, im deutschsprachigen Raum bisher keine Beachtung gefunden haben.
Der unmittelbare Anlass für ihre Beschäftigung mit der Prostitution und der Debatte über sie war, wie Kajsa Ekis Ekman schreibt, die Nachricht vom Tod einer Freundin, die selbst in der Prostitution tätig war. Es war die Zeit, Mitte der 2000er Jahre, als es in Schweden zugleich linksliberaler Chic wurde, das 1998 erlassene Gesetz zum Sexkaufverbot – Bestrafung der Freier und Zuhälter, Straflosigkeit und Ausstiegsprogramme für die Prostituierten – zu attackieren und als „puritanisch und moralistisch zu denunzieren“ (xii, Übersetzungen von uns). In dieser Situation „beschloss ich, dass genug genug sei und vertiefte mich in alle Literatur zur Prostitution, die ich auftreiben konnte. Es sollten vier Jahre tiefer Frustration daraus werden.“ (xxiii)
Im Zentrum dieser „linken“ Attacken auf das Verbot der Prostitution stand und steht die Behauptung, dass Prostitution „Sexarbeit“, ein Job wie jeder andere sei; Kajsa Ekman schreibt, wie der Verkauf von „Sex“ plötzlich nicht mehr „als Verletzung unserer Rechte, sondern vielmehr selbst als Recht“ dargestellt wurde (4). Und sie zeigt die Widersinnigkeit, Falschheit und Verlogenheit dieser „linken“ Rechtfertigung der Prostitution auf: wie diese jede nähere Betrachtung dessen, was Prostitution ist, vermeidet, stattdessen ihr Publikum dadurch zu blenden sucht, dass sie auf billige Weise einen epischen Kampf zwischen (autoritären, auf ihre Vorrechte erpichten, sex-feindlichen) Feministinnen und den („norm-brecherischen“, selbstbewussten, revolutionären) „Sexarbeiterinnen“ konstruiert, welche nun als die eigentlichen Feministinnen erscheinen, während die Feministinnen als Vertreter der patriarchalen Ordnung dargestellt werden. Sie zeigt, wie hierbei gerade AkademikerInnen wie Petra Östergren und Susanne Dodillet – die auch in Deutschland als „wissenschaftliche“ Zeuginnen gegen das Sexkaufverbot herhalten dürfen – dreist behaupten, dieser Gesetzgebung wäre keine Untersuchung und Befragung der Prostituierten vorausgegangen. Wie diese „Wissenschaftlerinnen“ – die Dissertation von Dodillet wurde von anderen ForscherInnen als Betrug angezeigt (S. 20) – dabei die bücherfüllende, jahrzehntelange Forschung mit einem Handstreich beiseitewischen, madig zu machen und die gesammelten Aussagen von Prostituierten als irrelevant darzustellen versuchen. Wie dieselben JournalistInnen und Akademikerinnen, die von der realen Prostitution nichts wissen wollen, aber andererseits alles tun, um es in ihren Artikeln so erscheinen zu lassen, als ob nicht sie, sondern die Prostituierten zum Publikum sprächen, sie nur das Sprachrohr wären, während sie tatsächlich den Prostituierten ihre eigene Meinung in den zu Mund legen verstehen.
Kajsa Ekman setzt diese Herausbildung der Ideologie der „Sexarbeit“ mit der Geschichte der Sexindustrie seit den 70er Jahren ins Verhältnis. Sie schreibt, wie diese sich nach den feministischen Angriffen der 70er langsam erholte und lernte, die Feministinnen als prüde und patriarchal zu denunzieren – und die patriarchale Gesellschaft dabei auf ihrer Seite wusste. Nicht selten wurden die linksliberalen Dissertationen zur Apologie der „Sexarbeit“ von rechtskonservativen Stiftungen bezahlt. Kajsa Ekman beschreibt, wie zuerst in den 80er Jahren überall in der westlichen Welt „Hurenverbände“ und später „Prostituiertengewerkschaften“ aufkamen – die oft keine einzige Prostituierte als Mitglied aufweisen konnten, aber wesentlich zur Akzeptanz der „Sexarbeit“ als „Job wie jeder andere“ beitrugen – schließlich gab es ja sogar Gewerkschaften. Der Charakter dieser „Prostituiertengewerkschaften“ ergibt sich schon daraus, dass weltweit kein einziger (!) Fall bekannt ist, wo eine solche „Gewerkschaft“ tatsächlich einen Arbeitskampf oder ähnliches geführt hätte.
Es ist frappierend, wie diese Verklärungen, Auslassungen und Täuschungen ein Grundmuster im Diskurs zur „Sexarbeit“ sind und sich in praktisch jedem Beitrag dazu wiederholen (siehe hierzu auch unsere Artikel zur „Prostitutions-Lügenlobby“ und „Warum die Linke auf das Konstrukt der„Sexarbeit“ abfährt“ in vergangenen Ausgaben). Schon aus diesem Grund ist das Buch von Kajsa Ekis Ekman Pflichtlektüre, denn selten wurde die Falschheit und Unredlichkeit der „Sexarbeits“-Apologetik derart scharf dargestellt und ausgeleuchtet. Dies ist aber nur der erste Teil, mit der Kajsa Ekis Ekman zu dem ansetzt, vor dem die linken FreundInnen der „Sexarbeit“ bei aller eifrigen Beschäftigung damit stets zurückschrecken: ein Begriff dessen, was Prostitution selbst ist und für die Frauen darin bedeutet.
Egal welchen Artikel zur „Sexarbeit“ man liest, es kommt immer wieder auf dasselbe Argument hinaus: „Sie verkauft aber nicht sich selbst, sie verkauft nur ihren Körper.“ Auch Prostituierte verwenden diese Differenzierung, wenn sie über ihre „Arbeit“ sprechen: nicht ihr Selbst verkaufen sie, sondern ihren Körper. Diese Differenzierung zwischen Körper und Selbst steht im Zentrum des „Sexarbeits“-Diskurses. Sie erscheint als selbstverständlich, doch drückt sie, wie Kajsa Ekman schreibt, bereits eine ganz bestimmte, geradezu philosophische Weltanschauung aus, ohne die diese Differenzierung gar nicht möglich wäre:
„Um es für möglich zu halten, den eigenen Körper ohne das eigene Selbst zu verkaufen, muss man den Cartesianischen Dualismus als gültig annehmen. In dem [von einer Prostituierten geäußerten] Satz „Ich entscheide mich dafür, meine Vagina zu verkaufen“, werden zwei Rollen präsentiert: das Selbst und die Vagina. Das Selbst wird als ein handelndes Subjekt präsentiert, das sich entscheidet, etwas zu verkaufen: eine Unternehmerin, eine clevere Geschäftsfrau, die ein gutes Produkt gefunden hat. Aber die Vagina ist ganz klar kein Teil dieses aktiven Selbst; sie ist nicht die Unternehmerin – sie ist die Ware, die verkauft und gekauft wird. […] Die Prostituierte erscheint damit als aus zwei Teilen bestehende Person: dem verkauften (dem Körper) und dem verkaufenden Teil (dem Selbst). […] Mit anderen Worten: die prostituierte Frau ist zugleich ein Lebewesen und eine Ware. Ihr Selbst ist gleich dem anderer Menschen; ihr Körper ist eine Ware wie jede andere auch.“ (86f)
Und weiter:
„Diese Beteuerung ist der Kern der Erzählung von der Sexarbeiterin. Die Vorstellung von der „Sexarbeiterin“ beruht auf der Cartesianischen Idee des gespaltenen Selbst.“ (87)
Diese cartesianische Trennung, die auf den französischen Aufklärungsphilosophen René Descartes (1596-1650) zurückgeht, welcher meinte, dass Körper und Geist verschiedenen Welten angehörten, unterscheidet die moderne Erzählung von der traditionellen Beschreibung der Prostitution als Laster:
„Dadurch wird diese Erzählung eine ganz andere als die traditionelle. Wie wir im vorhergehenden Kapitel sahen, war die Frau in älteren Beschreibungen zwar geistesschwach und von verringertem Intellekt, aber sie wurde immer noch als ganzes Wesen betrachtet. Es gab keinen Zweifel darüber, dass sie ihr ganzes Selbst verkaufte. Dass dieses Selbst Mängel hatte und beschädigt war, machte den Verkauf und die Versklavung möglich.“ (87)
Die Ideologie, dass Sex ein Job wie jeder andere und Prostituierte folglich ArbeiterInnen wie alle anderen wären, brüstet sich damit, auf diese Weise Prostitution, „Sexarbeit“, zu „entstigmatisieren“. Was unter der Hand stattfindet, ist aber eine Verschiebung, denn die „Entstigmatisierung“ der Prostituierten gelingt nur unter dadurch, dass die Frau von ihrem Körper getrennt wird:
„dieser muss zum Objekt werden, dieser muss stigmatisiert werden, denn er ist es, der gekauft wird.“ (88)
In einem ersten Schritt spaltet die Erzählung von der „Sexarbeit“ das Selbst vom Körper und macht diesen zum toten Ding; „aber auch das erinnert noch zu stark an das Eigentliche“ (90) – in einem zweiten Schritt soll es auch nicht der Körper sein, der verkauft wird, sondern eine Dienstleistung, eine „sexuelle Dienstleistung“:
„Und somit bewegen wir uns zu einer weiteren, noch höheren Ebene der Abstraktion. Im ersten Schritt wurde das Selbst zum Körper. Wir verkaufen nicht unsere Selbst – nur unsere Körper! Dann wird der Körper zu Sex. Wir verkaufen nicht unsere Körper, wir verkaufen nur Sex! Auf dieser neuen Ebene befreit sich die Sexualität vom Körper und konstruiert sich selbst als eine Dienstleistung. […] Sex schwebt in der Luft zwischen zwei Menschen, als wäre es komplett losgelöst, ein Ding, das Frauen nunmal besitzen.“ (91)
Was hier als positives Ideal propagiert wird, ist, wie Kajsa Ekman schreibt, eine radikale Form von Entfremdung, welche selbst eine der Grundbestimmungen der kapitalistischen Gesellschaft ist. Was als menschliche Fähigkeiten und Eigenschaften erschien, erscheint als fremd, mit einem Eigenleben begabt, selbst die Menschen beherrschend. Kajsa Ekman verweist hier auf Marx, der im sogenannten „Fetischkapitel“ des „Kapitals“ anhand eines Tisches beschreibt, was passiert, wenn Dinge der materiellen Welt zu Waren werden:
„Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne.“ (Kapital Bd. I, S. 85)
Wenn Sex zur Ware wird, wiederholt sich dieselbe Entfremdung – diesmal aber gerade am menschlichen Körper, am Menschen selbst, wie Kajsa Ekman schreibt:
„Wenn eine Person Sex hat, ist sie gewiss eine Person, und vielleicht mehr denn je ein Körper. Aber wenn Sex eine Ware wird, beginnt sie, sich auf wunderliche Weise zu verhalten. Sie löst sich von der Person und scheint herumzuwandern im Austausch ihrer selbst für andere Waren. Wie [„Sexarbeits“-Verteidigerin] Hilary Kinnel […] rhetorisch fragt: „Wir akzeptieren, dass Wasser und Nahrung, ohne die kein menschliches Leben möglich wäre, zu Waren gemacht werden; warum nicht auch Sex?“ Das Problem liegt hier darin, dass ihre Frage impliziert, Sex wäre ein Ding, ein materielles Gut wie Essen und Wasser; etwas, das produziert und abgeliefert werden, und von dem man dann fortspazieren kann.“ (92)
Und sie fragt: „[…] und was wird aus uns? Uns Menschen aus Fleisch und Blut, die, egal was wir sagen, anwesend sein müssen in unseren Körpern, damit es überhaupt zu Sex kommt. Als was betrachten wir uns selbst?“ (92) Die Verwandlung der menschlichen Körperfunktionen in vom menschlichen Selbst entfremdete führt dazu, dass diese selbst als Dinge erscheinen, in den gesellschaftlichen Beziehungen tatsächlich wie Dinge behandelt werden können und behandelt werden:
„Ich finde den Schlüssel, um diese Fragen beantworten zu können, in den Tiefen der Bücherregale im Begriff der Verdinglichung.
Der ungarische Marxist Georg Lukács prägte diesen Begriff 1923 in seinem Buch „Geschichte und Klassenbewusstsein“. In diesem Werk beschreibt er die psychologischen Effekte des Kapitalismus auf die Menschen. […] Verdinglichung findet statt wenn die Produkte menschlichen Handelns oder dieses Handeln selbst sich in Waren verwandeln […].“ (92f)
Dass Sex zur Ware wird kann nur geschehen, indem Sex zugleich als abgetrenntes Ding erscheint – genau so, wie die Rede von der „Sexarbeit“ es behauptet, und genau so, wie viele Frauen in der Prostitution es bei der Beschreibung ihrer „Arbeit“ verwenden. Beide, SexarbeitsvertreterInnen und Prostituierte, spiegeln in ihrem Bewusstsein die gesellschaftlichen Verhältnisse wider – aber dieses Bewusstsein ist zugleich ein falsches, und die materialistische Betrachtung, die das materielle Sein und die menschliche Körperlichkeit nicht in Hirngespinste auflösen kann, lässt sich davon nicht täuschen:
„Aufgrund der Verdinglichung erscheint es, als ob Sex auf dem Markt losgelöst und ohne menschlich-körperliche Begleitung herumlaufen würde. Aber dies ist natürlich eine Illusion, und wird es immer bleiben. Man kann nicht Sex verkaufen ohne ein lebendes menschliches Wesen aus Fleisch und Blut zu sein. Was die Erzählung der Sexarbeiterin daher rhetorisch vollzieht, muss die wirkliche Prostituierte in der Realität schaffen. Sie muss anwesend sein aber sich zugleich einreden, dass sie es nicht ist.“ (93)
Und hier liegt eine der ganz großen Stärken von Kajsa Ekmans Buch. Sie weist nach, wie es sich bei dieser Entfremdung und Verdinglichung des menschlichen Körpers und seiner Funktionen, der Abspaltung derselben vom menschlichen Selbst, nicht allein um theoretische Überlegungen handelt, sondern wie diese sich in den Erfahrungsberichte und Selbstbeschreibungen von Prostituierten immer wieder antreffen lässt, ja, geradezu im Zentrum ihrer Selbsterfahrungen in der Prostitution steht.
Um die Verdinglichung des Körpers zu vollziehen, muss das Selbst diesen Körper verlassen, er muss taub und stumm gemacht werden. Eine Frau erzählt, wie sie sich „während des Akts, oder wie man es nennen will“ „vollständig in ihren Kopf“ zurückzieht. „Und ich denke, dass ich (in der Prostitution) dasselbe mache, nunja, das kommt vom Missbrauch als Kind. Damals habe ich gelernt, in eine andere Realität zu gehen. Und diese Realität war in meinem Kopf. Ich fühlte mich daher, als ob ich auch keinen Körper hätte. … Jemand konnte daher mit meinem Körper tun was er wollte, ohne dass ich es fühlte.“ (94)
Mit diesem Rückzug aus dem eigenen Körper verbunden, versuchen Frauen in der Prostitution oft bestimmte Körperbereiche noch zu behalten, der Verdinglichung zu entziehen. Auch hier kristallisieren sich die Aussagen zu einem erschreckenden Muster: „Ich kann es nur vom Hals abwärts tun“, zitiert Kajsa Ekman eine australische Prostituierte (94). Oder die französische Prostituierte „E“, Verteidigerin der Prostitution, die zugleich sagt: „Es gibt eine Sache, die ich für mich selbst behalte, und das ist alles von Schultern aufwärts. Ich lasse mich dort von niemandem berühren“ (95). Hierein fällt übrigens auch die Verweigerung des Küssens, „eine der ältesten und bekanntesten Verteididgungsstrategien“, die von Käufern gerade gehasst wird, weil sie ihnen unmissverständlich signalisiert, dass die Frau sie nicht begehrt (108).
Kajsa Ekman schreibt, wie die Bedeutung dieser Verteidigungsstrategien in der Forschung über die Prostitution inzwischen klar herausgearbeitet ist:
„Dies wiederholt sich in einer Erzählung nach der anderen, aber erst in den 1970ern gelang es ProstitutionsforscherInnen, dies zu verstehen. Während sie Frauen in der Prostitution zuhörten, hörten sie viele verschiedene Lebensgeschichten – aber diese Geschichten hatten alle eine Sache gemeinsam: die Technik des „Abschaltens“; versuchen, Prostitution und das Selbst auseinanderzuhalten. […]
Høigård und Finstead knüpften an Olssons Beobachtungen an und beschreiben sechs Hauptverteidgiungsmechanismen, die von Prostituierten verwendet werden: Abschalten (an etwas anderes denken oder durch Drogen/Alkohol); körperliche Grenzen ziehen (bestimmte körperliche Bereiche dürfen nicht berührt werden, z.B.); die Kontaktzeit mit den Käufern begrenzen; das eigene Selbst verstecken (durch falsche Namen, andere Kleidung und das vermeiden, über das eigene Privatleben zu sprechen); die Käufer betrügen; und Käufer vermeiden, für die man Gefühle entwickeln könnte.“ (95f)
Mit einem Wort:
„Dieselbe Taktik – das Selbst vom Körper zu trennen – erscheint immer und immer wieder.“ (95, 97)
Es ist die grundlegende Spaltung zwischen dem Selbst und dem zur Ware gemachten Körper, welche die Frauen an sich selbst vollziehen müssen. Damit der Körper und seine Funktionen als Ware erscheinen können, müssen sie verdinglicht werden:
„Nach einer gewissen Zeit in der Prostitution entwickeln viele Menschen eine gespaltene Persönlichkeit. Die eine ist das echte Selbst, die andere das prostituierte Selbst. Die Person teilt sich in die Seiende und die gekaufte.“ – Im Original: „the being and the being bought“ (98)
Falsch an der Erzählung von der „Sexarbeit“ ist daher nicht, dass der Körper in der Prostitution zur Ware würde, sondern die dahinterstehende Selbstverständlichkeit: die Behauptung, dass dies umstandslos gelänge:
„Es ist wichtig, den Unterschied zu verstehen: Sexualität wird zur Ware, aber das heißt nicht, dass Prostitution Arbeit wird.“ (101)
Denn die Aufrechterhaltung dieser Trennung, der tatsächliche Vollzug der Verdinglichung ist höchst anstrengend und ein immer wieder neu zu leistender psychischer Akt:
„Zur gleichen Zeit ist diese Trennlinie unglaublich schädigend für die Person, denn sie zerbricht ihre innere Ganzheit. Heutige Forscher bezeichnen diese Anstrengung zur Dissoziation nicht mehr als „Verteidigungsmechanismus“ sondern als post-traumatische Belastungsstörung (PTBS). […] Dissoziation kann auf verschiedenste Weise passieren, von normalem Tagträumen bis hin zu dissoziativer Identitätsstörung, wo eine Person unterschiedliche Identitäten entwickelt, deren Gedanken und Gefühle buchstäblich in verschiedenen Teilen des Gehirns stattfinden. Laut diesen Wissenschaftlern litten die meisten der von ihnen befragten Personen ausdrücklich NICHT an dissoziativer Persönlichkeitsstörung. Viele sagten, sie seien depressiv, woraus die AutorInnen schließen, dass diese Personen noch ein integriertes Selbst besitzen. Andererseits zeigte die Mehrheit von ihnen ein sogenanntes somatisches Dissoziationssyndrom [somatic dissociative disorder]: sie haben die Fähigkeit verloren, bestimmte Teile des Körpers zu fühlen.“ (102f)
Und sie zieht den Schluss:
„Das ist es, was passiert, wenn Sex zu Arbeit wird. Weil diese „Arbeit“ nichts ist, was produziert und von dem dann weggelaufen werden kann. Stattdessen ist „Arbeit“ hier das eigene Selbst und der eigene Körper. Die Folgen sind, dass der Körper sich verschließt, taub wird, und seine eigenen Funktionen ablehnt.“ (102f)
Es ist tatsächlich erschreckend, wie die FreundInnen und VerteidigerInnen der „Sexarbeit“ diese psychische Schädigung immer wieder übersehen, oder gar als „Widerstand“ definieren. Wir hatten schon in einer vergangene Ausgabe einen taz-Artikel zitiert, in dem die Journalistin, sichtlich begeistert darüber, in einem richtigen Bordell zu sein und vom Bordellbetreiber die Erlaubnis zur Befragung der Prostituierten erhalten zu haben, die Atmosphäre mit „Sucht, Rausch, Glück“ beschreibt. Die Männer, die sie interviewt – darauf geht sie nicht ein und und das regt sie offenbar nicht zum Nachdenken an – sagen ihr dagegen recht genau, was im Berliner Gangbang-Bordell läuft: „Die haben doch die Augen zu, die sind völlig weg, kriegen nicht mit, ob da nun jemand sympathisch ist oder nicht“ – „meint der Mann mit Bart.“ Rausch und Glück halt.
Nicht zynisch-zufällig, sondern ganz richtig als Zumutung und Schädigung kritisiert, begegnet einem diese Dissoziation auch im von der Emma-Redaktion herausgegebenen Buch „Prostitution. Ein deutscher Skandal“ immer wieder. (Dessen Autorinnen sich übrigens nicht von Bordellbesitzern die Erlaubnis zur Recherche einholten, sondern sich auf eigene Faust und verdeckt in Bordelle einschmuggelten, auf dem Straßenstrich in der Tschechischen Republik und in Sextourismus-Resorts in Thailand recherchierten, aber das nur nebenbei.) Dort liest man ebenfalls (ein Beispiel unter vielen):
„Es ist eben alles abgespalten. Als Hure kannst du es dir nicht leisten zu fühlen. Du musst deinen Körper benutzen wie ein Werkzeug. Du langst da hin und machst was oder lässt was mit dir machen; du versuchst, es einfach zu erledigen. Und diese Erledigungsmentalität brennt sich in dienen Körper ein.“ (S. 200)
Es ist vor diesem Hintergrund nicht zu schwer zu verstehen, wie die Prostitution selbst ein beständiger Kampf ist: während die Frau, um ihr Selbst intakt zu halten, versuchen muss, dem Zugriff des Käufers Grenzen zu setzen, den Vollzug des Geschlechtsverkehrs zu einem möglichst mechanischen Akt zu machen, sucht der Käufer diesen Selbstschutz der Frau beständig zu überwinden. Er will gerade nicht, dass die Frau, die er gekauft hat, einen gefühlslosen mechanischen Akt vollzieht, sondern fordert von ihr, dass sie ihm überzeugend ihre Lust nach ihm vorspielen soll, gleichwohl er zugleich will, dass sie seine Wünsche erfüllt, ob sie Lust darauf hat oder nicht:
„Und hier kommen wir zum Kern der Prostitution: das Käuferparadox [the buyer’s paradox]. Er will zugleich, dass Prostitution Arbeit ist, und will es zugleich nicht. Er will Sex kaufen können, aber will nicht, dass die Frau sich verhält als ob sie für ihre Handlung bezahlt wird. Der Käufer will, dass Prostitution existiert, aber er will nicht, dass sie wie Prostitution aussieht. […] Egal wie sehr es ihm nach ihr verlangt, er weiß, dass sie es fürs Geld macht. Er will daher beständig mehr von ihr, irgendetwas authentisches, irgendetwas reales. Er will ihren ganzen Körper in Besitz nehmen, ihre ganze Person, ihr ganzes Selbst. Der Käufer findet sich in einem beständigen Status der Selbsttäuschung, die ihn beständig dazu dazu führt, etwas zu verlangen, das nicht gekauft werden kann.
Dies ist das zentrale Dilemma der Prostitution, und einer der Gründe warum Prostitution niemals ein „Job wie jeder andere auch“ sein kann. Um zu existieren, muss es sein Wesen, Arbeit zu sein, verstecken.“ (103f)
Und dieses Doppelspiel ist wesentlich dafür verantwortlich, die Schädigung der Frau zu multiplizieren, denn
„wer ist dafür verantwortlich, dieses Wesen zu verstecken? Selbstverständlich: die Frau, der verkaufende Part in der Geschäftsbeziehung. Sie arbeitet mit Sex aber muss vorspielen, nicht zu arbeiten.“ (103f)
Es ist kein Zufall, dass die Käufer Wege gefunden haben, den Frauen in diesem Kampf ihre Regeln zu diktieren. Bei der immer öfters verlangten „Girl Friend Experience“ („GFE“) oder dem „Girl Friend Sex“ („GF6“) soll die Frau sich verhalten wie eine ganz normale Freundin: Küssen, Streicheln, gemeinsam Essen und ins Kino gehen gehören zum „Erlebnis“ des Käufers dazu. Meist wird die Frau für mehrere Tage am Stück gekauft. Zugleich aber soll sie nie vergessen, dass sie bezahlt wurde: der Käufer erwartet, dass sie ihm nach seinen Wünschen für den Sex, den er will, zur Verfügung steht. Die Schutzmechanismen und Rückzugsmöglichkeiten der Frau sind hier praktisch nicht mehr existent:
„Es ist paradox: je „menschlicher“ und normaler Prostitution erscheint, umso verheerender ist sie für die Verkäuferin, welche ihre Menschlichkeit, ihr Selbst verkaufen muss.“ (110)
Prostitution beruht auf dem falschen Bewusstsein der Käufer, welche immer auch betrogen werden: sie selbst machen sich vor, dass die Frauen sie mögen würden, dass die ihnen vorgespielte Lust echt gewesen wäre, sie ein tatsächliches Stück vom Selbst der Frau gekauft hätten. (112) Die Frauen durchschauen dies und verachten den Käufer für seine Selbsttäuschung:
„Im Vergleich zum Käufer findet sich die Prostituierte in einer viel durchsichtigeren Situation. Sie durchschaut das ganze Spiel und verachtet ihn dafür, dass er sich täuschen lässt. Sie weiß dass sie etwas „hinter dem Vorhang“ hat, das „real“ ist, etwas, zu dem er nie Zugriff erlangen wird.“ (112)
Doch auch die Prostituierte muss sich vor der Realität der Prostitution verschließen:
„Aber auch sie lebt in einem falschen Bewusstsein, im Glauben, dass es möglich wäre sich selbst zu verkaufen und zugleich zu schützen; ihm zu geben was er will, und zugleich intakt zu bleiben. Die Heuchelei, die er fordert – die prostituierte Frau ist es, die sie verkörpern muss: der Welt erzählen, dass sie nur ihren Job tut, eine Dienstleistung wie jede andere, die sie nicht berührt – und in derselben Minute ihm die Gewissheit geben muss, dass sie geil und verrückt nach ihm ist, dass sie diese Sache mehr als alles andere liebt. Und es ist sie, die den höchsten Preis für die Heuchelei bezahlt, die doch eigentlich seine war. Er ist es, der das unmögliche Paradox des käuflichen Erwerbs von Zuneigung und Intimität kreiert hat, aber er überträgt diese Spaltung auf sie. Sie ist die, die die Lüge des Mannes für ihn umsetzen muss. Im Resultat kann er seine Ganzheit auf ihre Kosten herstellen, während sie gespalten wird. Ihre Verteidigungsmechanismen sollen ihr Selbst schützen, aber stattdessen nagen sie an dessen Ganzheit.“ (112)
Und sie zitiert eine Frau, die erzählt – auch diese Geschichten wiederholen sich und sind zentral für die Selbsterfahrung der Frauen in der Prostitution –, wie sie irgendwann auch beim Zusammensein mit ihrem Freund unbewusst zusammenzuckte; es nicht mehr schaffte, die „Arbeit“ von ihrem Körper fernzuhalten, aus der Abschaltung herauszukommen: „Irgendwie hatte sich das Glas zersetzt, und er ist einer von ihnen geworden.“ (113) Auch im Emma/Alice Schwarzer-Buch beschreiben Frauen ihre Erfahrungen:
„Vor ein paar Monaten habe ich mit Manfred, meinem jetzigen Freund, versucht zu schlafen. Es hat nicht funktioniert. Aber bei ihm kann ich mir endlich bewusst gestatten zu fühlen, auch das Negative. Neulich habe ich ganz bewusst versucht, ihn zu streicheln, aber ich habe es heulend wieder aufgegeben. Noch nach zehn Jahren konnte ich meinen Geliebten nur streicheln wie einen Freier, ganz unbeteiligt.“ (S. 200)
Dieses Drama der Zurichtung, in der Frauen ihren Körper verdinglichen müssen und diese Verdinglichung sie auch noch Jahre nach dem Ausstieg aus der Prostitution verfolgt, sie als geschädigte zurücklässt, schreit nach dem Verbot des Kaufs von Frauen, Frauenkörpern oder „sexuellen Dienstleistungen“ – egal wie man es nennt, es ist dasselbe – als Ware. Es ist keineswegs zufällig genau diese Stelle, an der die Erzählung von der „Sexarbeiterin“ ins Bild stolziert – und all dies als nichtexistent oder als „normal“ darstellt:
„Und die Erzählung von der Sexarbeiterin zeichnet sich durch genau dasselbe falsche Bewusstsein aus. Es ist bereits klar, dass ihr ideologischer Kern in der Idee besteht, man könnte seinen eigenen Körper, könnte „Sex“ verkaufen, ohne das eigene Selbst zu verkaufen. Aber was ist das anderes, als ein haargenaues Modell für die Dissoziation, die in der Prostitution tatsächlich und real stattfindet? Was die Erzählung der Sexarbeiterin tut, ist diese Verdinglichung und Spaltung, die in der Prostitution geschehen, idealisieren. Was in der Prostitution physisch passiert, ein Abschalten, passiert diskursiv in der Rhetorik von der Sexarbeiterin. Aus dem Trauma wird ein Ideal. Die Erzählung von der Sexarbeiterin sagt: das gespaltene Selbst ist nicht nur möglich, es ist ein das Anzustrebende.“ (114)
Die Erzählung, dass Sex „ein Job wie jeder andere auch“ sei, ist gewissermaßen eine Sklavenreligion, die die Prostituierten darin stärken soll, ihr Schicksal zu ertragen, auf dass dieses Schicksal – die Institution der Prostitution – weiterbestehen kann. Nicht das Leiden abzuschaffen, sondern die, die die Gesellschaft dafür vorgesehen hat – vor allem ärmeren Frauen und Frauen aus der kolonisierten Peripherie – stark zu machen, dieses Leid auf sich zu nehmen und sich dafür zu opfern – dies ist der Kern der „Sexarbeits“-Erzählung. Diese kann nun tatsächlich mit gewissem Recht beanspruchen, die „Interessen“ von Prostituierten zu vertreten – nämlich ihre Interessen, als VerkäuferInnen der eigenen Ware zu erscheinen:
„Wenn die Frau ihr Mantra wiederholt: ich bin nicht hier, es ist bald vorbei, was gibt es eigentlich heute zum Abendbrot?, nur noch zehn Minuten, denk einfach an das Geld – dann ist die Erzählung der Sexarbeiterin da, um sie zu bestärken. Die Geschichte sagt ihr: nein, du bist nicht hier. Du bist eine Geschäftsfrau, eine Unternehmerin: was prostituiert wird, ist nur ein „Ding“. Halt es aus, du bist stark, eine Kämpferin! Die Erzählung der Sexarbeiterin ist wie ein Cheerleader, der an der Seitenlinie steht, das gespaltene Selbst anfeuernd. Sie überzeugt die Gesellschaft, dass diese Spaltung normal ist, und dass sie ohne Schaden am Selbst vollzogen werden kann. Sie preist die Prostitution sogar als eine Fähigkeit an, die nur starke Frauen ausführen können. Als politische Ideologie gesehen, ist dies von unglaublicher Grausamkeit. […] Es ist zynisch und dunkel wie die schwärzeste Nacht, denn es ist selbst abgeleitet von der Realität der Prostitution.“ (115)
Die linken ProstitutionsfreundInnen wissen wohl irgendwie, dass es die Prostituierten sind, die den eigentlichen Schaden hierbei davon tragen. Daher auch der latente Hass auf sie: sobald Prostituierte auftauchen, die ihre Schädigung durch diese Gesellschaft einklagen, müssen ihre linken FreundInnen gerade leider schnell weg – zur nächsten „Prostituiertenkonferenz“ bei der Heinrich-Böll-Stiftung, zur nächsten „Hurendemo“ des Doña Carmen-Prostituiertenverbands oder zum nächsten „Roundtable Prostitution“ mit VertreterInnen der „Prostituiertengewerkschaft“.
Das Anziehende an der Prostitution ist für ihre linken VerteidigerInnen wohl, dass sie glauben, den Männern und dem Patriarchat ein Schnippchen zu schlagen, schließlich werden diese ja betrogen: sie glauben, die Prostituierte selbst gekauft zu erhalten, aber haben nur eine „körperliche Dienstleistung“ gekriegt. Damit soll das Patriarchat hübsch entsorgt werden – es findet in einem abgegrenzten Bereich statt, verschwindet aus dem Blickfeld. In dem Moment, wie Prostitution zur Sexarbeit wird, wird die feministische Kritik überflüssig. Um die Gesellschaft vom Patriarchat zu befreien, müssen die prostituierten Frauen geopfert werden.
Der Klappentext bewirbt das Buch mit einem Zitat der Prostitutionsforscherin Melissa Farley: „Falls Sie sich jemals gefragt haben, was man denen antworten soll, die sagen, es gäbe keine Opfer in der Prostitution […] – dann ist dieses Buch eine Pflichtlektüre.“ Dem können wir uns nur anschließen. Aber es ist weit mehr als ein Debattenbeitrag, denn die Verweisung der Prostitution ins Feld intellektueller Debatte ist selbst das, was von den VerteidigerInnen der „Sexarbeit“ angestrebt wird:
„Indem Prostitution zu einem Diskurs, einem Debattenthema, einer semantischen Frage gemacht wird, können die Menschen die „wirkliche“ Prostitution von sich fern halten. Dies erinnert an die Handlung der Menschen in der Prostitution. Auf der einen Seite sollen wir uns vollständig der Frage der Prostitution widmen, darüber reden, debattieren, es interpretieren, neu definieren, idealisieren und darüber spekulieren – aber auf der anderen Seite sollen wir es nie in unsere Nähe kommen lassen. Etwas großes, dunkles und fürchterliches: ein schwarzes Loch in uns selbst, wird weit weg gebracht und kontrollierbar gemacht.“ (100f)
Der von Kajsa Ekman formulierte materialistische Begriff der Prostitution als notwendiger Spaltung von Körper und Selbst; als einer Spaltung, die sich in Körper und Psyche einbrennt, bringt unseres Erachtens die Prostitution auf ihren Begriff und bildet den Ausgangspunkt dafür, die vielfältigen, ansonsten unverständlichen Beobachtungen zur Prostitution – wie z.B. den Kampf um die Verweigerung bestimmter Körperbereiche – einzuordnen und zu begreifen. Ebenso ordnet Kajsa Ekman die Ideologie der „Sexarbeit“ in diesen Begriff der Prostitution selbst ein: wie diese zynische Ideologie an die Frauen appelliert, ihr Elend weiter und besser zu ertragen. Die hier geleistete Begriffsarbeit kann kaum hoch genug angeschlagen werden.
Im zweiten Teil des Buches widmet sich Kajsa Ekman der Leihmutterschaft, die „als eine verlängerte Form der Prostitution angesehen werden kann“ (141), und den wir ebenfalls zur Lektüre empfehlen möchten.
Kajsa Ekis Ekman: Being and being bought. Prostitution, surrogacy and the split self. Spinifex Press 2013 (Original schwedisch 2010).
Alice Schwarzer (Hg.): Prostitution. Ein deutscher Skandal. Verlag Kiepenheuer & Witsch 2013