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Der Freier

09.09.2016

25.01.19

Facebook, des Müllmanns bester Freund

Facebook, Twitter, überall: Frauen dürfen beschimpft, pornographisiert und mit Todes- und Vergewaltigungsdrohungen überzogen werden. Wenn sich Frauen darüber beschweren, werden sie zensiert

Männliche Gewalt ist überall. Sie verfolgt Frauen von klein auf, über die Jugend bis hin zum Erwachsenenalter. Keine ist vor ihr sicher, auch im Internet nicht. Gerade im Internet nicht.

Wenn Männer Frauen im Internet beschimpfen, dann ist das nicht nur „trolling“, also sinnbefreite Provokationen von Nutzern, die sich hinter ihrer Anonymität verstecken – der in Internetbeiträgen manifestierte Frauenhass schließt sich an die Gewalt der Frauen täglich ausgesetzt sind an. Dabei hagelt es nicht Kränkungen, sondern regelrechte Beleidigungen. Männer bezeichnen Frauen als Schlampen, wünschen ihnen vergewaltigt zu werden, und nutzen die Möglichkeiten des Internets, um weitere Informationen, persönliche Details und private Adressen über diese Frauen herauszufinden, um diese zu bedrohen. Auch scheuen sich Männer nicht davor pornographische Inhalte zu posten. Obwohl Facebook beispielsweise Bilder von stillenden Müttern als zu explizit einordnet und löscht, werden tausende von Bildern, die nackte Frauen zeigen, die sexuelle Akte darstellen oder die zum kollektiven Sexualisieren anregen, nicht zensiert. Im Gegenteil. Tausende von Frauen berichten und belegen durch Screenshots, wie von ihnen gemeldete Postings, die zur Gewalt gegen Frauen aufrufen, einzelne Frauen zur Zielscheibe machen oder schlicht pornographisch sind, abgeschmettert werden. „Dieses Bild verstößt nicht gegen unsere Community-Standards“, heißt es dann.

Doch was sind das für Community Standards, die erlauben, dass Männer ungehindert und ungeniert über Frauen alles sagen können, was ihnen auch nur im Entferntesten einfällt, während Frauen hingegen nicht die Möglichkeit bekommen diese anzuzeigen, so dass diese zurecht gelöscht werden? Wie kann eine detaillierte Zeichnung von einem muskulösen Mann, der den aufreizend dargebotenen Körper einer der Mimik nach ohne Zweifel schmerz leidenden Frau anal penetriert, mit „unseren Community-Standards“ konform gehen? Warum darf eben diesen Richtlinien nach ein Mann einer Frau via Privatnachricht versprechen, sie zu finden und zu vergewaltigen, ohne dass Facebook auf die von der Frau geschalteten Meldung eingeht?

Diese fahrlässigen Vernachlässigung durch die sogenannten Gemeinschaftsrichtlinien wird nur übertroffen durch das systematische Zensieren von Frauenstimmen.

So gilt für Facebook beispielsweise die gezielte Beleidigung „Bitch“ (Schlampe) als unproblematisch, doch das Wort „Dyke“ als absolut unzumutbar. Im Englischen bezeichnet dieses Wort eine Lesbe, wobei der Begriff unserorts auch mit „Kampflesbe“ übersetzt werden könnte, also die gemeinhin als unangenehm wahrgenommene Frau, die Frauen liebt. Dyke-Lesben sind of maskulin, oder „butch“.

Es scheint, als würde alles was Weiblich, nicht aber feminin ist von Facebook – wie auch von der patriarchalen Gesellschaft – verkannt werden.

Wer beispielsweise anlässlich des „Pride Month“ Lesben gratulieren möchte und dabei das Wort Dyke verwendet, wird prompt gelöscht.

Man könnte denken, dass dies alles nur ein Zufall ist, dass Facebook möglicherweise das Wort nicht kennt oder fälschlicherweise als Beleidigung einordnet, doch wie der patriarchale Zufall es so will, begann das Dyke-Löschen kurz vor dem Chicago Dyke March, bei dem Frauen sich im Protest organisieren und für lesbische Sichtbarkeit kämpfen wollten. Zahlreiche Frauen wurden von der social media Plattform für Beiträge, die auf den Marsch oder Lesbentum hinweisen bestraft – ihre Posts durften nicht veröffentlicht werden, ihr Zugang wurde für einige Tage gesperrt, oder ihre Accounts gar gelöscht. Hätte es zu Zeiten der Französischen Revolution Smartphones gegeben, hätte die Bourgeoisie die Barrikaden durch Löschen von Bekanntgebungen und Veranstaltungen im Keim erstickt. Doch Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gilt bis heute eben für Brüder – die Befreiung von Schwestern wird hingegen durch die Medien geblockt.

Andere Social Media Plattformen stehen Facebook nichts nach. Kürzlich wurde die kanadische Radikalfeministin Megan Murphy wiederholt gezwungen ältere Beiträge zu löschen. Die Journalistin hatte darüber berichtet, wie ein Mann, der sich als Frau ausgibt verschiedene Kosmetikerinnen angezeigt hatte, weil sie nicht bereit waren seine männlichen Genitalien als weiblich anzusehen ihm entsprechend eine Intim-Epilation zu gewähren – darüber hinaus aber zeigte sie auf, dass ebendieser Mann zuvor über Facebook-Nachrichten darüber sinniert hatte kleinen Mädchen in der Umkleidekabine zu zeigen, wie sie Tampons in ihre Scheide einführen sollten. Anstatt die Entrüstung über diese pädophile Perversion und eine genderkritische Debatte zuzulassen, erlaubte Twitter der Aktivistin erst wieder Zugang zu ihrem Account, nachdem sie die von Twitter als „Hassrede“ deklarierten Beiträge selbst löschte. Und das, obwohl Männer, die inhaltlich identische Tweets geteilt hatten, keinerlei Sperrungen erhielten.

Nachdem Murphy Twitter öffentlich in einem neuen Tweet ansprach und in aller Sichtbarkeit fragte, warum Frauen nicht über ihr Recht auf sichere Frauenorte zwitscher dürften, wurde ihr Profil kurzerhand komplett geschlossen.

Hier geht es, so Murphy, nicht um einzelne Inhalte, sondern darum, einer Frau die Stimme zu nehmen. Wenn Frauen nicht im öffentlichen Raum Platz einnehmen und Kritik über Männer und deren Verhalten äußern dürfen, so kann das Patriarchat in aller Bequemlichkeit weiterhin so tun, als wären Frauen unter der Gewaltherrschaft von Männern glückselig.

Der Prozess der Darstellung bestimmter, bekannter und betroffener Frauen als zänkische, hysterische Weiber, denen man den Mund verbieten muss, ist so alt wie das Patriarchat selbst.

Während Männer aber soziale Medien ungehindert als Mittel zur Verbreitung von Ignoranz, Angst und Gewalt nutzen, dürfen Frauen nicht einmal Frustration über eben diesen Umstand öffentlich aussprechen.

So verwundert es nicht, dass der zunächst viel genutzte Hashtag #menaretrash („MännersindMüll“) schnell von Männern als Hassrede deklariert wurde und Facebook – der beste Freund des Mannes – sich daran machte sämtliche Beiträge in diese Richtung zu löschen – kreative Kunst frustrierter Frauen durfte nicht gezeigt werden, der Hashtag passierte nicht durch die Tore der Online-Portale und Frauen wurden für die Teilnahme an einer kollektiven Debatte und ihrem gemeinsamen Protest aus eben jenen Plattformen gekickt, auf denen sie sich organisierten.

Mittlerweile wird der Spruch „Men are Trash“ direkt „gezuckt“ – wie es im Neudeutschen heißt, wenn das von Mark Zuckerberg gegründete Facebook Beiträge sperrt. Doch die berechtigte Kritik am übergriffigen und gefährlichem Verhalten von Männern, mit der soziale Medien Frauen zum Schweigen zwingen, bleibt weiterhin anzuprangern.

Jahrtausende der Unterdrückung haben Frauen gelehrt, kreativ mit Maulkörben umzugehen. Von der Verfolgung im Mittelalter bis hin zum no-platforming im world wide web haben sie Mittel und Um-wege finden müssen, um ihre Botschaft nach Außen zu tragen und andere Frauen zu erreichen.

„Garbage Men are Trash Collectors“, zu Deutsch „Müll-Männer sind Müll-Sammler“, ermöglicht es derzeit weiterhin den Spruch zu verwenden, der als Hashtag in Verbindung mit dem Aufdecken und Öffentlichmachen von Alltagssexismus steht. Noch.

Denn wenn auf Eines Verlass ist, dann auf die zarte, mimosenhaft-beleidigte Art von Männern, deren Fähigkeit zur Introspektion diametral entgegengesetzt steht zu ihrer Tendenz zur Deflektion.

Anstatt innezuhalten und ihr Verhalten zu hinterfragen, Barrieren zu beseitigen und an einem konstruktiven Diskurs teilzuhaben, der die Gleichstellung der Geschlechter forciert, ist es für Männer – historisch wie heute – viel einfacher, auf stur zu stellen, Anschuldigungen zurückzugeben und die Verbotsliste unter Androhung von graduell gewalttätigeren Folgen zu erweitern.

Die Problematik der Männergewalt wird nicht aus der Welt geschaffen, indem Frauen nicht über das Phänomen sprechen. Sie wird auch nicht dadurch beseitigt, dass Frauen jegliche Möglichkeit genommen wird von ihrer Redefreiheit gebrauch zu machen. In jedem Falle aber wird sie gestützt und genährt durch die zunehmend kontrollierende, zensierende und immer mehr umfassende Zensur, wie sie im Internet stattfindet.

Erst wird das Anprangern von Männergewalt verboten, dann das bloße Hinweisen auf ihr Bestehen.

Erst werden Fragen geblockt, dann ganze Persönlichkeiten aus der medialen Präsenz ausradiert.

Erst werden Frauen zum Schweigen gezwungen, und schließlich nimmt man ihnen ihre Stimme.

Es ist eine Welt, in der Männer Frauen auf graphischste Weise Gewalt androhen können, sie sich gemeinschaftlich durch das Sexualisieren von Frauen und Mädchen verbrüdern und sie keinerlei Sanktionen wegen Gewaltdarstellungen gegenüber dem anderen Geschlecht erhalten.

In einer solchen Gesellschaft ist die Kritik an Männergewalt unabdingbar und sollte weder in Kunst, noch Satire, noch in persönlichen Ausführungen zensiert werden.

Wenn Männer Frauen als Schlampe bezeichnen dürfen, dann ist der Vergleich zwischen Männern und Mülltonnen nicht nur angebracht, sondern im Grunde noch sehr, sehr euphemistisch. Müll-Männer sind Müll-Sammler. Und, wie Otegha K. Uwagba‏ über Twitter – derzeit noch unzensiert – teilte: Männer sollten dankbar sein, dass Frauen lediglich nach Gleichberechtigung streben – und nicht nach Vergeltung für das ihnen angetane Unrecht und die ihnen angetane Gewalt.

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